Gewalt scheint in ihrem Alltag eine selbstverständliche Präsenz zu haben. Auf jeden Fall fällt es der Gruppe leicht, das Blatt am «Flip-Chart» mit Antworten auf die Frage zu füllen: «Was ist Gewalt?». Die jungen Frauen und Männer, an einem Samstag im Mellinger Kirchgemeindehaus zusammengekommen zu einem Training zur Gewaltprävention, sind Profis und Freiwillige in der Jugendarbeit: Sei es bei Jungwacht/Blauring oder im Cevi, sei es als Jugendseelsorgerin oder Jugendarbeiterin in der politischen Gemeinde, sei es als Teammitglied in einer Jugendgruppe, einem Jugendtreff. Gewalt trifft Körper und Seele. Gewalt, das sind Schlägereien, genauso wie Fouls im Fussball, Schimpfwörter sind Gewalt, Randalieren, Verbote, Ausschliessen. Ira und Urs von «NCBI» (National Coalition Building Institute), einem Verein für Friedenserziehung, bündeln die Voten und regen die Auseinandersetzung mit dem Thema durch geschickte Einwürfe an. Urs will wissen: «Gibt es auch Formen von Gewalt, die du nicht abschaffen würdest?». Nach einer kurzen Denkpause kommen die Ideen: Zum Beispiel Sanktionen weil man lernt, Grenzen zu setzen, Grenzen zu respektieren. Oder Selbstverteidigung Gewalt, um weitere Gewalt zu verhindern. Vielleicht sogar Schlägereien zum Spass, um Dampf abzulassen. Schliesslich stellt die Runde fest, dass es Gewalt manchmal tatsächlich braucht, Gewalt nicht immer nur schlecht ist. «Zeugenerlebnisse» heisst der nächste Programmpunkt. Es geht darum, seinem Vis-à-Vis jene Geschichte zu erzählen, wo man selber zur Beobachterin, zum Beobachter einer Gewaltszene wurde. Und wieder schärfen Urs und Ira die Wahrnehmung, indem sie die Teilnehmenden auffordern, bei den Geschichten auf die Täter-, wie die Opferrolle zu achten. «Wie funktioniert Streit?», «Motivation beider Seiten verstehen», «verstehen heisst nicht einverstanden sein». Mit Hilfe des «Gewaltthermometers» wird dann ein Fall durchgespielt ganz genau hingeschaut, wie Streit eskalieren kann. Nach soviel Analyse geht es in einem letzten Teil dieses Friedenstrainings ums Eingreifen in schwierigen Situationen. Die praktische Erfahrung aus dem Alltag der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer liefert hierzu verschiedene Rezepte. Als Knackpunkte erweisen sich immer wieder die Geschlechterfrage, der kulturelle Hintergrund sowohl der Streithähne wie der Schlichter, die Sprache oder die Form der Bedrohung. Eine zentrales Fazit bestätigt dann Kursleiter Urs: «Solange man redet, gibt es weniger Gewalt». Karin Hurni, Jugendarbeiterin in Mellingen, fügt dem ein Beispiel aus ihrer Arbeit mit der lokalen Hip-Hop-Szene an und meint: «Wenn die Leute anonym sind, ist es für sie einfacher, Konflikte anzuzetteln.» Darum geht sie auf Problemgruppen zu, zeigt bei Anlässen Präsenz, ist Ansprechperson. Carmen Frei www.peacecamp-mobil.ch Erschienen in Horizonte 11/2005. |
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